BKA speichert IP-Adressen seit 2001
Anlassunabhängige Speicherung von Nutzungsdaten nach dem Telemediengesetz (TMG): Datensätze werden angeblich nach Abschluss des Strafverfahrens "datenschutzkonform" gelöscht
Bundesregierung hat gegen diese Vorgehensweise des BKA "keine Bedenken": Speicherung der IP-Adressen könne wertvolle Ermittlungsansätze liefern
(28.11.07) - Das Bundeskriminalamt (BKA) speichert seit Juli 2001 "anlassbezogen" die Internet-Protokoll-Adressen (IP-Adressen) von Besuchern seiner Homepage. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/6938) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion 816/6754) mit.
Dies geschehe im Rahmen einzelner Ermittlungsverfahren, die Datensätze würden nach Abschluss des Strafverfahrens "datenschutzkonform" gelöscht. Daher sei auch eine Aussage zur Gesamtmenge der überprüften IP-Adressen nicht möglich.
Die Regierung schreibt weiter, die Bundesregierung habe gegen diese Vorgehensweise des BKA "keine Bedenken". Die Speicherung der IP-Adressen könne wertvolle Ermittlungsansätze liefern und stelle eine "sinnvolle und effiziente Ermittlungsmaßnahme" dar.
Speicherung der IP-Adressen von Besucherinnen und Besuchern der Website des Bundeskriminalamtes
Vorbemerkung der Fragesteller
Wie die Öffentlichkeit aus einem Bericht des "Tagesspiegel" vom 1. Oktober 2007 erfuhr, hat das Bundeskriminalamt über mehrere Jahre hinweg die Internet- Protokoll-Adressen (IP-Adressen) von Besuchern seiner Homepage registriert. Neben der Speicherung versuchte das BKA auch, einen Teil dieser IP-Adressen Personen zuzuordnen und diese so zu identifizieren, wenn diese sich in der Zeit vom 28. März bis 18. April dieses Jahres auf der Unterseite "Offene Tatkomplexe" über Spuren zur "militanten Gruppe" informieren wollten.
IP-Adressen sind innerhalb eines Netzwerks (zum Beispiel dem Internet) notwendig, damit zwei Teilnehmer des Netzwerks miteinander kommunizieren können. Die IP-Adresse für Internetseiten ist fest, Kunden von Internet Providern wird eine solche z. T. bei jeder Einwahl neu zugeteilt. Nicht notwendig ist hingegen, die IP-Adresse nach Ende der Kommunikation zu speichern, wie es viele private Unternehmen (ebay, amazon, google etc.) zur Erstellung von Kundenprofilen tun.
Dagegen hat sich inzwischen eine Initiative von Datenschützern gewandt, die Privatunternehmen zum Verzicht auf die Speicherung der IP-Adressen auffordern. Aus den Reihen der Datenschützer hat eine Person erfolgreich dagegen geklagt, dass das Bundesjustizministerium ihre IP-Adresse gespeichert hat. In seinen Leitsätzen stellte das Gericht fest: "Anbieter von Telemedien im Internet dürfen nicht systematisch die Kennungen (IP-Adressen) der Nutzer ihrer Dienste protokollieren." (Amtsgericht Berlin Mitte, Geschäftsnummer 5 C 314/06).
Vorbemerkung der Bundesregierung
Die von den Fragestellern zitierte Gerichtsentscheidung bezieht sich lediglich auf die anlassunabhängige Speicherung von Nutzungsdaten nach dem Telemediengesetz (TMG) und ist auf die anlassbezogene IP-Adressen-Protokollierung des Bundeskriminalamts nicht übertragbar. Die Erteilung von Auskünften zu laufenden Ermittlungsverfahren obliegt darüber hinaus den zuständigen Staatsanwaltschaften.
1. Seit wann genau werden die IP-Adressen von Besuchern der Internetpräsenz des Bundeskriminalamtes (BKA) gespeichert, und hält diese Speicherung an?
Beim Bundeskriminalamt (BKA) werden seit Juli 2001 anlassbezogen IPAdressen im Rahmen einzelner Ermittlungsverfahren protokolliert. Eine über die Dauer des jeweiligen Ermittlungsverfahrens hinausgehende Speicherung findet im BKA nicht statt.
2. Welche Daten werden gemeinsam mit der IP-Adresse gespeichert (Datum des Zugriffs, Dauer des Aufenthalts, vorher/nachher besuchte Seiten etc.)?
Es werden alle im Sinne des Anlasses notwendigen technischen Begleitdaten gespeichert, mit der sich die IP-Adresse auf der Homepage "meldet". Diese Begleitdaten enthalten z. B. auch die Uhrzeit und die Dauer des Zugriffs. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
3. Wie viele Datensätze sind in diesem Zusammenhang gespeichert worden, welche Dateien aufgrund welcher Rechtsgrundlage wurden dafür eingerichtet und für wie lange blieben die Datensätze mindestens/höchstens gespeichert?
Die Datensätze werden nach Abschluss des Strafverfahrens gemäß § 20 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) datenschutzkonform gelöscht. Aus diesem Grund ist keine Aussage zur Gesamtmenge der gespeicherten Datensätze möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
4. In wie vielen und welchen Fällen wurde versucht, die Identität der Computerbesitzer festzustellen, und was waren jeweils die Gründe für diesen Versuch?
Wie bereits in der Antwort zu Frage 3. ausgeführt, werden die Datensätze bei abgeschlossenen Strafverfahren datenschutzkonform gelöscht. Aus diesem Grund ist keine Aussage zur Gesamtmenge der überprüften IP-Adressen möglich. Die Feststellung von Anschlussinhaberdaten einer bestimmten IP-Adresse erfolgt im Rahmen eines konkreten Ermittlungsverfahrens zur Gewinnung von Ermittlungsansätzen.
Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
5. Wie ist nach vermeintlich festgestellter Identität der Nutzer mit den gewonnenen Daten verfahren worden?
Nach der Identitätsfeststellung wurde unter Beachtung der Fallgegebenheiten, der Spurenlage und der technischen Konstellation eine Überprüfung der Anschlussinhaber durch die ermittlungsführende Dienststelle durchgeführt. Nach Abschluss des Strafverfahrens werden die Daten gem. § 20 BDSG datenschutzkonform
gelöscht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
6. Wurden die vermeintlich identifizierten Nutzerdaten mit anderen, bereits vorhandenen Dateien des BKA oder anderer Sicherheitsbehörden abgeglichen?
Die Personalien wurden mit dem Informationssystem der Polizei und fallbezogen im Rahmen der Erfordernisse des jeweiligen Ermittlungsverfahrens mit weiteren polizeilichen Datenbanken abgeglichen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
7. Wie bewertet die Bundesregierung die Speicherung der IP-Adressen durch das BKA in Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das Fernmeldegeheimnis und die Datenschutzgesetze?
Die Bundesregierung hat aus den vorgenannten Gründen keine die Vorgehensweise des Bundeskriminalamts betreffenden Bedenken. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
8. Hat die Identifizierung der Besucher im besagten Fall des Besuchs der Unterseite zur "militanten Gruppe" weiterführende Ermittlungsergebnisse erbracht, und wie bewertet die Bundesregierung diese Ergebnisse in Hinsicht auf ihre Relevanz zur Aufklärung der zu ermittelnden Sachverhalte, also der Brandstiftung in mehreren Fällen?
Siehe Vorbemerkung, Satz 2.
9. Wie bewertet die Bundesregierung generell den zu betreibenden Aufwand für eine Identifizierung von Besuchern ihrer Internetseiten im Sinne effizienter Ermittlungsarbeit?
Die anlassbezogene Speicherung der auf die Fahndungsseite des BKA zugreifenden IP-Adressen dient dem Zweck der Strafverfolgung im Rahmen konkreter Ermittlungsverfahren und stellt eine sinnvolle und effiziente Ermittlungsmaßnahme dar.
10. Welchen Beweiswert misst die Bundesregierung diesen gespeicherten IP-Adressen bei, unter Beachtung des Umstandes, dass in Europa die Verpflichtung für Internet-Provider besteht, ihren Kunden keine feste IP zuzuordnen ("dynamische IP"), mehrere Benutzer einen Router benutzen (privates WLAN, öffentliche "hot-spots") etc.?
Die Auswertung der gespeicherten IP-Adressen in Fällen von Straftaten von besonderer Schwere, bei denen es nahezu keine Hinweise auf Tatverdächtige bzw. deren Aufenthalt gibt, kann wertvolle Ermittlungsansätze liefern, die in weiteren Ermittlungen zu den festgestellten Anschlussinhabern durch die zuständigen Ermittlungsbehörden unter Berücksichtigung der Fallgegebenheiten und der Spurenlage einmünden.
11. Welche anderen Bundesministerien und nachgeordneten Bundesbehörden speichern die IP-Adressen der Besucher ihrer Internetpräsenzen, seit wann, und für welche Zeiträume?
Die überwiegende Zahl der Ressorts und, soweit dies in der Kürze der Zeit ermittelt werden konnte, deren nachgeordnete Behörden speichern die einem PC zugeordnete IP-Adresse, die beim Besuch der Internetseiten übermittelt wird bzw. lassen diese durch beauftragte Unternehmen speichern. Die Speicherung geschieht grundsätzlich nur temporär mit anschließender Löschung. Die Speicherung ist insbesondere aus Sicherheitsgründen notwendig: Die Bundesverwaltungist kontinuierlich massiven und hoch professionellen Angriffen aus dem Internet ausgesetzt und der durch die Angriffe verursachte Kommunikationsverkehr übertrifft seit langem den regulären Kommunikationsverkehr. Zur Abwehr dieser Angriffe und zur Aufrechterhaltung des Behördenbetriebs sind zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen notwendig. Dazu gehört zwingend die Speicherung der IP-Adressen, um Angriffsmuster erkennen und Gegenmaßnahmen (z. B. das Sperren bestimmter, für den Angriff genutzter IP-Adressen) einleiten zu können. Ohne diese Daten ist eine Abwendung der kontinuierlichen Angriffe nicht möglich.
12. Welche Bundesministerien und nachgeordneten Bundesbehörden haben diese Speicherung eingestellt, wann, und aus welchen Gründen?
Das Bundesministerium der Justiz hat im Dezember 2006 im Rahmen eines Relaunchs seines Internetauftritts die Speicherung von IP-Adressen eingestellt. Das Bundesministerium der Justiz änderte seine alte Speicherpraxis im Zuge des Neuauftritts. Die Speicherung eingestellt hat auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
13. Welche Position nimmt die Bundesregierung zur Forderung an private Anbieter von Internetseiten ein, keine IP-Adressen ihrer Besucher zu speichern, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung hierzu?
Inwieweit IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen, ist nicht abschließend geklärt. Mit dem in der Kleinen Anfrage in Bezug genommenen Urteil des AG Berlin liegt nach hiesiger Kenntnis erstmals eine Gerichtsentscheidung vor, nach der IP-Adressen nicht nur für den Zugangsanbieter, der diese Adressen vergibt, sondern auch für den Anbieter eines (Medien-)Dienstes personenbezogene Daten sind, obwohl der Diensteanbieter einen Personenbezug allenfalls mit Hilfe des Zugangsanbieters herstellen könnte. Die Auswirkungen des Urteils AG Berlin (5 C 314/06) werden derzeit vor dem Hintergrund der oben dargestellten Bedrohung, die grundsätzlich auch private Anbieter betrifft, intensiv geprüft.
(Deutsche Bundesregierung: ra)
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