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Transparenz behördlichen Handelns


Bundesgerichtshof (BGH) zur Zulässigkeit einer Pressemitteilung der Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur durfte die Veröffentlichung auf der Grundlage von § 74 Satz 2 EnWG aF vornehmen



Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden (Beschluss vom 17. Juni 2025 - EnVR 10/24), dass die Bundesnetzagentur die Öffentlichkeit darüber informieren durfte, sie habe der betroffenen Energielieferantin diese Tätigkeit zum Schutz der Haushaltskunden untersagt. Die Pressemitteilung durfte auch den Hinweis enthalten, die Betroffene halte nach Auffassung der Bundesnetzagentur die gesetzlichen Regeln nicht ein, die einer sicheren und verbraucherfreundlichen Energieversorgung dienen.

Sachverhalt:
Die Betroffene war in der Vergangenheit als Gaslieferantin tätig. Ende 2021 erklärte sie gegenüber etwa 370.000 Kunden die sofortige Kündigung der bestehenden Gaslieferverträge und zeigte gegenüber der Bundesnetzagentur die Beendigung ihrer Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden an. Das von einer personenidentischen Geschäftsführung geleitete und als Stromlieferantin tätige Schwesterunternehmen der Betroffenen sprach ebenfalls Kündigungen der bestehenden Stromlieferverträge gegenüber Haushaltskunden aus. Insgesamt erfolgten seinerzeit etwa 1,2 Millionen solcher Kündigungen, was erhebliche Folgen für die betroffenen Kunden und die für diese zuständigen Grundversorger hatte. Die Geschehnisse waren auch Anlass für eine kritische Berichterstattung in der Presse.

Im März 2023 zeigte die Betroffene die (Wieder-)Aufnahme ihrer Tätigkeit an. Die Bundesnetzagentur leitete im April 2023 ein Verfahren zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ein und informierte hierüber die Öffentlichkeit unter namentlicher Nennung der Betroffenen. Mit Beschluss vom 29. Juni 2023 untersagte die Bundesnetzagentur der Betroffenen, die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden auszuüben. Am 7. Juli 2023 informierte die Bundesnetzagentur die Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung - erneut unter Nennung der Betroffenen - über den Ausgang des Verfahrens. Der Aufforderung der Betroffenen, die Pressemitteilung von ihrer Internetseite zu entfernen, kam die Bundesnetzagentur nicht nach. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat das Beschwerdegericht den Untersagungsbeschluss der Bundesnetzagentur vom 29. Juni 2023 mit Beschluss vom 27. November 2023 aufgehoben. Das Beschwerdegericht hielt die Untersagung zum Untersagungszeitpunkt allerdings weiterhin materiell für gerechtfertigt. Zwischenzeitlich hat die Bundesnetzagentur der Betroffenen die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden unter Auflagen wieder gestattet.

Bisheriger Prozessverlauf:
Mit ihrer Beschwerde hat die Betroffene unter anderem begehrt, der Bundesnetzagentur bei Meidung eines Ordnungsgelds zu untersagen, in Bezug auf die Betroffene identifizierend zu berichten, dass die Bundesnetzagentur ihr die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden untersagt habe. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Betroffene ihr Begehren weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Der Betroffenen steht gegen die Bundesnetzagentur kein Anspruch auf Unterlassung der in der Pressemitteilung vom 7. Juli 2023 enthaltenen Aussagen zu. Die Bundesnetzagentur durfte die Veröffentlichung auf der Grundlage von § 74 Satz 2 EnWG aF vornehmen. Die Regelung soll nach ihrem Sinn und Zweck die Transparenz behördlichen Handelns erhöhen und eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit ermöglichen. Sie ermächtigt deshalb grundsätzlich auch zur Veröffentlichung einer ergangenen, aber noch nicht bestandskräftigen Untersagungsverfügung unter Nennung des betroffenen Unternehmens durch eine Pressemitteilung. Ob und in welcher Weise die Veröffentlichung im Einzelfall erfolgt, steht im Ermessen der Bundesnetzagentur. Von diesem Ermessen hat die Bundesnetzagentur rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Sie durfte unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem öffentlichen Informationsinteresse den Vorrang gegenüber den Interessen der Betroffenen einräumen.

Vorinstanz:
OLG Düsseldorf - Beschluss vom 29. Mai 2024 - VI-3 Kart 481/23 [V]

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz)

§ 5 Anzeige der Energiebelieferung

(1) Energielieferanten, die Haushaltskunden mit Energie beliefern, müssen nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 1 und 2 die Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit sowie Änderungen ihrer Firma bei der Bundesnetzagentur anzeigen; […]

(4) Mit der Anzeige der Aufnahme der Tätigkeit ist das Vorliegen der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung darzulegen. Die Bundesnetzagentur ist berechtigt, das Vorliegen der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung jederzeit unter Nutzung der behördlichen Aufsichtsrechte nach diesem Gesetz zu überprüfen. […]

(5) Die Regulierungsbehörde kann einem Energielieferanten die Ausübung der Tätigkeit jederzeit ganz oder teilweise untersagen, wenn die personelle, technische oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist. […]

§ 74 Veröffentlichung von Verfahrenseinleitungen und Entscheidungen

[in der bis 28. Dezember 2023 geltenden Fassung]:

Die Einleitung von Verfahren nach § 29 Abs. 1 und 2 und Entscheidungen der Regulierungsbehörde auf der Grundlage des Teiles 3 sind auf der Internetseite und im Amtsblatt der Regulierungsbehörde zu veröffentlichen. Im Übrigen können Entscheidungen von der Regulierungsbehörde veröffentlicht werden.

[in der ab 29. Dezember 2023 geltenden Fassung]:

Die Einleitung von Verfahren nach § 29 Absatz 1 und 2 sowie Entscheidungen der Regulierungsbehörde auf der Grundlage des Teils 3 sind auf der Internetseite der Regulierungsbehörde zu veröffentlichen. Entscheidungen der Bundesnetzagentur auf der Grundlage des Teils 3 und des § 65 sind einschließlich der Begründungen auf der Internetseite der Bundesnetzagentur zu veröffentlichen. Im Übrigen können Verfahrenseinleitungen und Entscheidungen sowie deren Begründung von der Regulierungsbehörde veröffentlicht werden. Die Veröffentlichungen nach den Sätzen 1 bis 3 schließen auch die Veröffentlichung der Firmen betroffener Unternehmen mit ein. Satz 2 ist nicht anzuwenden auf Verfahren nach § 65 auf Grund einer Verordnung nach § 111f.
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 17. Juni 2025: ra)

eingetragen: 13.07.25


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