Aufwendungen der Telekom müssen ersetzt werden
Bundesgerichtshof zur Haftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Bundesrepublik Deutschland für den dritten Börsengang der Deutschen Telekom
Ob auch die Bundesrepublik Deutschland der Telekom zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet ist, muss noch geklärt werden
(08.06.11) - Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat (…) entschieden, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Aufwendungen der Deutschen Telekom AG (Telekom) ersetzen muss, die dieser nach dem sogenannten "dritten Börsengang" durch den Abschluss eines Vergleichs entstanden sind; die Telekom hatte sich mit Sammelklägern in den USA im Zusammenhang mit diesem Börsengang vergleichsweise geeinigt. Ob auch die Bundesrepublik Deutschland der Telekom zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet ist, muss noch geklärt werden.
Die Aktien der Telekom, die aus der Umwandlung des früheren Sondervermögens der Deutschen Bundespost in ein Unternehmen privater Rechtsform hervorgegangen ist, hielt zunächst vollständig die Bundesrepublik Deutschland. Ende März 2000 war sie direkt noch zu 43,18 Prozent und über die in ihrem Mehrheitsbesitz befindliche KfW zu weiteren 21,6 Prozent beteiligt. Mitte Juni 2000 veräußerte die KfW im Rahmen des sogenannten "dritten Börsengangs" aus ihrem Besitz auf dem nationalen und internationalen Kapitalmarkt 200 Millionen Aktien der Telekom an Privatanleger, auch in den USA.
Dort wurden in einer Sammelklage Prospekthaftungsansprüche gegen die Klägerin wegen angeblicher Fehler des Verkaufsprospekts geltend gemacht. Aufgrund eines im Januar 2005 geschlossenen Vergleichs zahlte die Klägerin an die Sammelkläger 120 Mio. US-Dollar. Mit der Klage verlangt sie von den Beklagten Ersatz des Vergleichsbetrags und der für die Rechtsverteidigung aufgewandten Kosten in Höhe von insgesamt 112.585.552,79 Euro.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat in der mit dem öffentlichen Angebot in den USA verbundenen Übernahme der Prospektverantwortung und des daraus folgenden Haftungsrisikos eine nach § 57 AktG* verbotene Einlagenrückgewähr der Telekom an ihre Aktionärin, die KfW, gesehen.
Die in der Übernahme des Prospekthaftungsrisikos liegende Leistung der Aktiengesellschaft an ihre Aktionärin ist durch keinen vollwertigen Gegenanspruch ausgeglichen worden. Die KfW war daher nach § 62 Abs. 1 AktG** verpflichtet, die Klägerin wegen der entgegen § 57 AktG erlangten Einlagenrückgewähr von den mit der Sammelklage geltend gemachten Ansprüchen freizustellen. Da sie dieser Freistellungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, muss sie die Vergleichssumme und die Rechtsverfolgungskosten ersetzen.
Die Höhe des Anspruchs muss durch das Oberlandesgericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, noch geklärt werden. Ob die Bundesrepublik Deutschland der Klägerin nach § 311 Abs. 1***, § 317 AktG**** zum Ersatz verpflichtet ist, hängt von der gleichfalls noch vom Oberlandesgericht zu treffenden Feststellung ab, ob sie die Platzierung der Aktien der KfW in den USA veranlasst hat.
Urteil vom 31. Mai 2011 - II ZR 141/09
LG Bonn – Urteil vom 1. Juni 2007 – 1 O 552/05
OLG Köln – Urteil vom 28. Mai 2009 – 18 U 108/07
*§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG lautet:
(1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden.
** § 62 Abs. 1 AktG lautet:
(1) Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren…
***§ 311 Abs. 1 AktG lautet:
(1) Besteht kein Beherrschungsvertrag, so darf ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluß nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden.
****§ 317 Abs. 1 Satz 1 AktG lautet:
(1) Veranlaßt ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne daß es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich ausgleicht oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt, so ist es der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 31.05.11: ra)
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