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Unregelmäßigkeiten schnell identifizieren


Wie gut sind Finanzunternehmen auf Betrugsfälle vorbereitet?
Trotz aller Kontrollmechanismen und technologischer Fortschritte werden die meisten Betrugsfälle jedoch immer noch durch Hinweisgeber aufgedeckt



Von Michael Müller, Leiter Consulting-Team, und Matthew Kinch, Senior Consultant, Control Risks Deutschland GmbH

(04.05.15) - Dass die Anzahl der Betrugsfälle in Finanzunternehmen stetig steigt, ist eine Tatsache und in aller Munde. Inzwischen stellen Korruption und Bestechung auch für den Finanzsektor ein steigendes Reputations- und Finanzrisiko dar, da die Gesetze verschärft werden und die öffentliche Kontrolle zunimmt. Obwohl sich die angewendeten Betrugsmuster über die Jahre nicht sonderlich geändert haben, müssen sich Geldinstitute dessen bewusst sein, dass das Geschick mit welchem Kriminelle diese Muster umsetzen, einem konstanten Wandel unterliegt, welcher immer häufiger durch technologische Innovationen getriebenen ist. Wie umfassend die Rolle der Technologie in Betrugsfällen heutzutage tatsächlich ist, wird häufig unterschätzt. Ein Beispiel ist "Social Engineering", bei dem kriminelle Organisationen Mitarbeiter durch Täuschung überzeugen oder Zahlungen für gefälschte Rechnungen zu genehmigen. Bei dieser Vorgehensweise sind gefälschte Telefonnummern und E-Mail-Adressen ein häufig genutztes Mittel.

Es ist in Finanzunternehmen auch nicht ungewöhnlich, dass Monate vergehen, in denen sehr hohe Geldsummen "versickern", bevor Mitarbeiter überhaupt erste Anzeichen eines möglichen Betruges wahrnehmen. Dies ist ein großes Problem, denn je länger es dauert, um einen Betrug festzustellen, desto schwieriger wird es, den Täter zu identifizieren und Gelder zurückzuholen.

Was kann der Finanzsektor also tun, um seine Kunden, Bilanzen und seine Reputation vor Betrügern zu schützen? Im Wesentlichen gibt es drei Hauptphasen des Betrugsmanagements: Prävention, Identifikation und Reaktion. Unternehmen müssen verstehen, dass alle drei Phasen unumgänglich sind, wenn sie das Risiko, sich einem Betrug auszusetzen, reduzieren und schwerwiegende Folgen für das Finanzunternehmen verhindern wollen.

Wissen wonach man sucht
Um Unregelmäßigkeiten schnell identifizieren zu können, muss weit mehr getan werden, als nur die erforderlichen internen Kontrollmechanismen einzuführen. Die besten Werkzeuge und Prozesse sind nur so gut, wie die Mitarbeiter, die diese täglich benutzen. Betrüger sind oft erfolgreich, weil wichtige Mitarbeiter in diesem Bereich nicht ausreichend ausgebildet oder informiert sind und somit nicht wissen, auf welche Verhaltensweisen sie im Arbeitsalltag achten müssen. Ebenso ist es üblich, dass Geldinstitute umfassende und modernste Finanzkontrollsysteme einführen, deren Wirksamkeit jedoch dadurch verloren geht, dass – häufig den Kunden zuliebe – alte Systeme beibehalten werden oder die neuen der Bequemlichkeit halber in der Praxis umgangen werden. Dies hat zur Folge, dass die Organisation nach wie vor sehr angreifbar bleibt. Wenn zwei Finanzsysteme parallel verwendet werden, oder das System nicht wie vorgesehen angewendet wird, schafft dies Gelegenheiten für Täter und macht die Rückverfolgung der Tat umso schwieriger.

Wie auch bei Betrugsfällen selbst, spielt Technologie bei der Aufdeckung und Ermittlung verdächtiger Transaktionen eine wesentliche Rolle. Moderne Softwareprogramme erkennen potenziell betrügerische Handlungsmuster. Zusätzlich sind inzwischen Softwarelösungen verfügbar, die beispielsweise gefälschte E-Mails von "Spoof"-Domänen erkennen können. Beim "Spoofing" wird die Absenderadresse ausgehender E-Mails gefälscht und so die wahre Herkunft der Nachricht verschleiert.

Trotz aller Kontrollmechanismen und technologischer Fortschritte werden die meisten Betrugsfälle jedoch immer noch durch Hinweisgeber aufgedeckt. Einer Umfrage zufolge, die Control Risks letztes Jahr zusammen mit der Economist Intelligence Unit in über 300 Unternehmen durchgeführt hat, gaben zwei Drittel der Unternehmen an, dass sie über keinen Mechanismus verfügen, der es Mitarbeitern einräumt, mögliche Betrugs- oder Korruptionsfälle unter vertraulichen Bedingungen der Compliance-Abteilung oder der Internen Revision zu melden.

Krisenmanagement - entscheidend auch in Betrugsfällen
Wenn ein Geldinstitut entdeckt, dass ein Betrug stattgefunden hat, ist Schnelligkeit von größter Wichtigkeit. Mit der Reaktionsschnelligkeit des Unternehmens wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass Verluste eingedämmt, Gelder zurückgeholt und ein Imageschaden begrenzt wird. Um effektiv und effizient reagieren zu können, müssen Organisationen klare Prozesse definieren. Diese legen eindeutige Zuständigkeiten, sowie Entscheidungskompetenzen und -wege der Verantwortlichen fest. Nichts verzögert die Reaktionszeit eines Unternehmens mehr, als die Verwirrung darüber, wer, was, wann zu tun hat!

Ebenso wichtig ist es, schon im Vorfeld externe Berater zu identifizieren, die im Falle eines Betrugsverdachts in die Untersuchung miteinbezogen werden können. In der Regel umfasst dies Betrugsermittler, Anwälte und Experten für die Verfolgung der Vermögensflüsse. Juristen und forensische IT-Spezialisten sind oft erforderlich, um sicherzustellen, dass Dokumente und Computerdateien, die mit dem Betrugsfall in Zusammenhang stehen, richtig zugeordnet und korrekt behandelt werden. Hierbei stellen die Datenschutzgesetze der jeweiligen Länder den Leitfaden für die Sicherung dar, so dass alle Beweise für eventuell folgende Strafverfahren oder Zivilprozesse verwertet werden können.

Die ersten 24 Stunden nachdem ein möglicher Betrugsfall aufgedeckt wird, sind erfahrungsgemäß die kritische Zeitperiode. Professionell aufgestellte Finanzunternehmen leiten hier gezielte und wirkungsvolle Maßnahmen ein, die den Schaden begrenzen, mögliche Täter identifizieren und abgeflossene Vermögensgegenstände sichern.
Doch während die meisten Organisationen umfangreiche Notfallpläne eingeführt haben, die vor Vorkommnissen wie IT-Ausfällen oder Anschlägen schützen, haben viele keinerlei Notfallpläne für den Fall eines Betrugs vorbereitet. Der oben genannten Umfrage zufolge verfügt ein Drittel aller befragten Unternehmen nicht über einen Notfallplan im Falle von Betrugsfällen.

Prävention statt Reaktion
Wie können also Geldinstitute am besten vermeiden, überhaupt erst Opfer von Betrugsfällen zu werden? Zunächst sind, wie bereits beschrieben, die Einführung robuster interner Kontrollmechanismen und technischer Lösungen, wie beispielsweise elektronische Schlüssel und sichere Datenverschlüsselungen unumgänglich. Die stringente Einhaltung dieser Instrumente und Maßnahmen ist dabei maßgeblich, wenn sie effektiv sein sollen.

Unternehmen sollten auch stets im Auge behalten, dass weit mehr Informationen über sie im Internet zu finden sind, als es Ihnen wahrscheinlich bewusst ist, insbesondere im so genannten "Dark Web" bzw. "Deep Web". Das sind schwer identifizierbare und oft illegale Internetseiten, auf denen unter anderem Informationen über Unternehmen frei gehandelt werden, wie beispielsweise Daten zu Rechnungsstellung und Abrechnungsverfahren, die Namen der Zeichnungsberechtigten und der Unternehmensleitung, die Schwellenwerte für die Sekundärkontrollen von Rechnungen usw. Da viele Insider-Informationen von Betrügern durch den vorsätzlichen Einsatz temporärer Kräfte in Zielunternehmen gewonnen werden, sollten Unternehmen bei Zeitarbeitern genau so gründliche Kontrollen durchführen wie sie es bei fest angestellten Mitarbeitern tun.

Ebenso ist es sehr hilfreich, wenn Finanzunternehmen einen Experten einsetzen, der die Organisation einem Stresstest unterzieht und entsprechend unabhängig die Unternehmensführung (Corporate Governance), interne Kontrollen und Notfallpläne des Unternehmens bewertet, bevor ein möglicher Betrugsfall eingetreten ist.

Die goldene Mitte
Kein Sicherheits- oder Kontrollsystem sollte den Alltag einer Organisation so einschränken, dass seine operativen Tätigkeiten und Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden. Sorgfältig ausgearbeitete präventive Maßnahmen helfen jedoch dem Unternehmen, das mögliche Betrugsrisiko zu reduzieren. Die finanziellen und rechtlichen Folgen, sowie der negative Einfluss auf die Unternehmensreputation, die durch einen einzelnen größeren Betrugsfall entstehen, können von einem solchen Ausmaß sein, dass sie besonders kleinere Unternehmen bis in die Insolvenz treiben. Dies bedeutet, dass der Schutz eines Unternehmens vor einem Betrugsfall ein Thema sein muss, welches definitiv auf der Ebene der Geschäftsführung gehört. (Control Risks: ra)

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